TCM

Die traditionelle chinesische Medizin ist eine jahrtausendalte Medizin, welche in der systemischen Anschauung des Menschen wurzelt.

Sie betrachtet den Menschen unter verschiedenen Blickwinkeln...

  • … als individuelle Einheit bzw. als «zusammenhängendes Ganzes»
  • … als ein System von komplex vernetzten Funktionen: insbesondere sind körperliche eng mit geistigen Funktionen verflochten. Bei einer Störung sind immer beide Aspekte mitbetroffen (Nicht-Trennen vom körperlichen und psychisch-emotionalen Geschehen)
  • … als ein «offenes» System, in steter Wechselwirkung mit inneren und äusseren Bedingungen

In der Therapie soll demnach die harmonische Beziehung des Menschen zu sich und zu seiner Umwelt unterstützt und gefördert werden. Man beabsichtigt also, den Organismus in seinem Gleichgewicht zu fördern, eine geschwächte Funktion anzuregen oder eine blockierte Funktion in Bewegung zu bringen.

Diese Art von Behandlung geht nicht nur Symptome an, sondern setzt tiefer wirkende Prozesse in Gang. Sie kann sowohl kurativ – bei wohldefinierten Beschwerden oder Krankheitsbilder – als auch präventiv eingesetzt werden, da sie nachhaltig auf die Gesundheit wirkt.

TCM eignet sich abhängig von den Beschwerden:

  • als eigenständige Therapie
  • als Begleittherapie (unterstützend, komplementär) bei fortgeschrittenen organischen Störungen oder bei komplexen Krankheitsbildern, z.B. zur Linderung der Nebenwirkungen von Medikamenten
  • zur Rehabilitation nach chirurgischen Eingriffen
  • generell zur Beschleunigung von Genesungsprozessen
  • wenn die eigenen Ressourcen gestärkt werden möchten, z.B. Leistungs- und Widerstandskraft, Schlafqualität, usw.

Ausnahmen sind akute internistische oder chirurgische Notfälle und OP-Indikationen.

Therapiemethoden der TCM

TCM Grundlagen

Punkte in der Körperlandschaft

Jap. tsubo, Chin. xue, «Höhle, Vertiefung, Öffnung»

Die meisten Akupunkturpunkte tragen Namen, die symbolisch auf
ihre Wirkung oder ihren anatomischen Ort hindeuten. Oft weist der Name auf einen psychischen oder klimatischen Aspekt hin und verbindet somit die Körperlandschaft mit inneren und äusseren Abläufen.

Akupunkturpunkte liegen meist in tastbaren Vertiefungen auf der Körperoberfläche. Sie haben ihre eigene Topographie und unterscheiden sich in Durchmesser, Tiefe und Konsistenz innerhalb eines Individuums auch abhängig von seinem Gesundheitszustand.

Jedes Organ projiziert Signale auf die Haut, die an Akupunkturpunkten im Umkreis von Millimetern bis Zentimetern eine veränderte elektrische Aktivität im Vergleich zum umliegenden Gewebe feststellen lassen.

Diese Punkte «verbinden» somit die Körperoberfläche mit der Tiefe und erlauben Rückschlüsse auf innere Funktionen und Prozesse.

Es gibt 361 überlieferte klassische chinesische Akupunkturpunkte auf 14 Leitbahnen (s.u.) und eine variable Anzahl weitere Punkte aus Untersystemen wie z.B. die Ohrakupunktur.

Anwendung in der Therapie

Es ist möglich, an diesen Punkten einen gezielten Reiz zu setzen, sei es durch eine Nadel (Akupunktur) oder durch Druck (Shiatsu, Akupressur, Schröpfen) oder Wärme (Moxibustion). In anderen Worten ist das Qi (s.u.) an Akupunkturpunkten für die therapeutische Einflussnahme zugänglich.

Wenn sich in einem Körperorgan oder -system ein unausgeglichener Zustand entwickelt, wird er durch Leitbahnen und Äste des Nervensystems als Signal an die Oberfläche übertragen. Dies kann in den damit zusammenhängenden Körperbereichen zu Veränderungen wie Schmerzen, Steifheit oder Schlaffheit, Sensibilitätsstörungen, Verlust der Beweglichkeit, Temperaturveränderung oder Verfärbung der Haut führen.

Leitbahn

Der Kreislaufgedanke wurzelt früh in der chinesischen Medizin: Blut, Körperflüssigkeiten und Qi (s.u.) «fliessen» im menschlichen Körper entlang bestimmter Kommunikationskanäle oder –Leitbahnen in verschiedene Richtungen, in unterschiedlichen Tiefen und bis zu den Organen.

Diese Leitbahnen bilden ein komplexes «Netz» von Wechselwirkungen, welche Grundsubstanzen, Organe und Organsysteme zu funktionellen Einheiten verbinden und die Voraussetzung für die Erhaltung eines harmonischen Gleichgewichts im Individuum schaffen.

Zu diesem Gleichgewicht gehört eine korrekte Flussrichtung in den Leitbahnen. Ein Gegenfluss bedeutet eine Blockade oder Stauung (von Blut, Körperflüssigkeiten oder Qi), die zu verschiedenen Störungen führen kann, abhängig von der betroffenen Leitbahn, Körpersubstanz oder Funktion.

Erklärungsmodelle

In einigen Modellen definiert man die Leitbahnen als messbare Linien – worauf sich auch die meisten Akupunkturpunkte befinden – mit verringertem elektrischem Widerstand und höherer elektrischer Leitfähigkeit.

Andere Modelle bringen die Leitbahnen mit bioelektrischen, biochemischen und biomechanischen Tätigkeiten der Faszienebenen in Verbindung, ein System von Membranen und Bindegewebsstrukturen, die den ganzen Körper netzartig umhüllen und durchdringen.

Beachtenswert ist, dass sich diese Modelle auf Aktivitäten, Funktionen oder Wechselwirkungen zwischen Körperstrukturen (Zellen, Geweben, usw.) – und nicht auf die Strukturen selbst – beziehen. Dementsprechend können die Leitbahnen als gedachte «Linien» – wie sie häufig zur Veranschaulichung gezeichnet werden – nur am lebendigen Körper beschrieben werden. Man könnte auch sagen: «das Leben erschafft die Leitbahnen» oder «die Leitbahnen sind ein veränderlicher Ausdruck des Lebens».

Zu Leitbahnen siehe auch agtcm.de

Yin, Yang und Qi

In der altchinesischen Kosmologie besteht das gesamte Universum aus Qi. Die Lebensprozesse stellen Qi-Transformationen dar und entstehen aus der dynamischen Wechselbeziehung zwischen Yin (als Schriftzeichen «die schattige Seite eines Hügels») und Yang («die sonnige Seite eines Hügels»).

BeimYin-Yang Modell geht es also darum zu erkennen, wie gegensätzliche Qualitäten zusammenwirken, um natürliche Phänomene zu erzeugen und zu transformieren.
Yin und Yang wirken nur abhängig voneinander und können nur relativ zueinander beschrieben werden («ohne Sonne kein Schatten»):

«Das Dao brachte das Eine hervor, das Eine die Zwei und die Zwei die Drei, und die Dreizahl die zehntausend Dinge (alles) hervor. Die zehntausend Wesen und Dinge, getragen von Yin, umhüllt von Yang, geeint vom durchdringenden Qi. »

[Wilhelm, R. (2000). Lao Tse Tao Te King]

Das Qi kann demnach als Sammelbegriff für alle Lebensprozesse oder als Quelle von Bewegung und Selbstregulation im Körper angesehen werden. Häufig wird es im Westen mit «Lebenskraft» oder «Lebensenergie» übersetzt.

Es umfasst die Funktionen von Schutz, Transformation, Wärme, Bewahrung von Körpersubstanzen, Wachstum und Entwicklung des Organismus.

Sein Schriftzeichen setzt sich aus dem Piktogramm für «Dampf» (der immaterielle Aspekt) und für «ungekochten Reis» oder «Lebensmittel» (der materielle Aspekt) zusammen.

Im medizinischen Gebrauch bedeutet es «Atem», «Luft», «Gas» und fliesst als solcher im Körper. Es ist aber auch in Lebensmitteln und Arzneien gebunden und entfaltet dieselbe Dynamik im Körperinneren (Mikrokosmos) wie im Äusseren (Makrokosmos).

In Kombination mit anderen Schriftzeichen kann es mit «Atmosphäre» (als Quelle der eingeatmeten Luft), «Haltung», «Verhalten», «Stimmung», «Emotion», «Kraft» und «Funktion» wiedergegeben werden.

Anwendung in der Therapie

Das Qi manifestiert sich sowohl durch die gesunde als auch die gestörte körperliche oder geistige Funktion. Der «Qi-Fluss» kann in anderen Worten an verschiedenen Orten entweder harmonisch oder aber blockiert, ungleichmässig verteilt oder geschwächt sein.
Ziel jeder Therapie ist in diesem Zusammenhang ein Ausgleich von Yin und Yang.

Altchinesische Texte spekulieren jedoch nicht über die Natur des Qi. Letzteres wird eher durch sein Wirken beschrieben und praktisch verstanden – etwas, das man erleben und beeinflussen kann und dementsprechend subjektiver Natur ist. Die Fähigkeit des Arztes oder des Therapeuten, sich auf das individuelle Erleben des Patienten einzustimmen, wird als zentral angesehen.

Auch scheinbar abstrakte Konzepte wie Yin und Yang sind – immer im Vergleich zueinander – wahrnehmbar und beschreibbar. Um einige Beispiele zu nennen: eine Yang-Qualität ist wärmer, schneller, heller, leichter, schwebender, trockener, dynamischer, lockerer, aufrechter, lauter, verdünnter als eine Yin-Qualität. Umgekehrt ist ein Yin-Merkmal kühler, träger, dunkler, schwerer, leiser, mehr verdichtet und langsamer als ein Yang-Merkmal.

Diese Qualitäten sind stets dynamisch zu verstehen: «warm» ist zwarYang im Vergleich zu «kalt», jedochYin in Relation zu «heiss», usw.

Yin und Yang: ein Beispiel

Wenn wir beispielsweise einen Baum betrachten, können wir ihn als «aufrecht» wahrnehmen. Wenn der Wind bläst und der Baum gesund ist, wird er sich biegen. Das aufrechte Stehen des Baumes stellt seine Yang Natur dar, seine Flexibilität d.h. die Fähigkeit, sich zu biegen, zeigt seinen Yin-Aspekt. Wenn nicht genügend Yin im Baum vorhanden ist, kann der Baum zwar aufrecht stehen, wird aber brüchig und anfällig für Beschädigungen durch Wind. Wenn nicht genügend Yang vorhanden ist, wird der Baum zusammenfallen und verrotten.

Im Grundlagenwerk ...

… Huang Di Nei Jing (vgl. Literatur) wird beschrieben, wie der Geist (Yang) als «himmlisches» Qi auf der Erde eine Form (Yin) annimmt – darunter auch der menschliche Körper – und wie aus dieser Wechselwirkung sich das Leben als stetiger Wandel (zwischen Yin und Yang) entfaltet.

Somit ist der menschliche Körper (materiell und Yin) durch den Geist (immateriell und Yang) sowohl mit der «Erde» (Yin) als auch mit dem «Himmel» (Yang) verbunden. Demgemäss entstehen Schmerz oder Krankheit, wenn sich ein Teil des Körpers von «Himmel» und «Erde» trennt bzw. nicht frei «atmen» oder kommunizieren kann.

Der Atem ist dabei die wesentliche Verbindung der menschlichen Körper-Geist-Einheit mit der Umwelt («Himmel und Erde»). Dieser Atem erfolgt jedoch nicht nur durch die Nase, den Mund und die Lungen, sondern durch alle körperlichen Öffnungen, insbesondere auch durch die Sinnesöffnungen bzw. die Sinneswahrnehmung. Deshalb wird die Krankheit als eine Form der «Erstickung» verstanden, im Sinne einer Trennung von der Umwelt, von der Realität als wahrnehmbares und zusammenhängendes Ganzes.

Vor diesem Hintergrund ist das Ziel jeder Therapie, mögliche Wege für das Wiedererlangen dieses «Ganzheitsgefühls» aufzuzeigen.

Geschichtlicher Hintergrund und Entstehung der TCM

Die TCM hat sich über mehr als zwei Jahrtausende lang dynamisch und heterogen fortentwickelt. Eine Betrachtung aus dem Blickwinkel der Zeit ihres Entstehens gibt den nötigen Kontext zum Verständnis dieser facettenreichen Disziplin:

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